Erklären Sie den Titel Ich fühl mich so fifty-fifty von dem Werk von Karin König. Wie bezieht sich dieser Roman auf die Kluft zwischen Ost und West? Beziehen Sie andere Artikel ein.
A. D. Bradley
„Ich werde versuchen, das nehme ich mir ganz fest vor, beide Teile, den Osten und den Westen, in mir zu vereinen.“
Sabine
Die Gefühle und Erfahrungen von Sabine, der Hauptfigur im Buch Ich fühl mich so fifty-fifty von Karin König, werden im Titel zutreffend ausgedrückt. Ihr Teufelskreis ist das unsichere Zugehörigkeitsgefühl zwischen Ostdeutschland, wo sie geboren und aufgewachsen ist, aber gegen dessen Behörden und Gleichförmigkeit der Gesellschaft sie rebelliert (sie ist zum Beispiel Mitglied einer subversiven Jugendgruppe), und Westdeutschland, wohin sie ihrem Bruder Mario gefolgt ist.
Dass es ein paar englische Wörter im Titel gibt, ist überaus aussagekräftig. Obwohl Karin König ihr Buch „Ich fühl mich so fünfzig-fünfzig“ oder „halb und halb“ hätte nennen können, was vielleicht erkennbarer für den deutschen Leser gewesen wäre, hat sie trotzdem Englisch verwandt. Dadurch gibt die Schriftstellerin dem Titel eine Prise Multikulturalismus, was sehr zutreffend mit Sabines Identitätsproblem ist.
Außerdem hat der Titel eine Prise von der Unfähigkeit der Geschwister, glücklich an einem Ort zu leben. Der Leser sieht Marios verwirrte Identität darin, dass „er immer nur vom Westen geschwärmt hat“ (S. 59) bevor er floh, aber „Heimweh“(S.45) hat, sobald er nicht mehr im Osten ist. Trotz seiner Erfahrungen ist der Titel eigentlich zutreffender für Sabine. Während Mario durch eine Gesetzeslücke, die Möglichkeit erhält in den Westen zu fahren, muss Sabine das Gesetz brechen. Auf diese Art findet sie sich unerwünscht durch jede Seite!
Ich glaube, dass die Teilung genauso intern war, wie sie geographisch war. Der Ost-Berliner Publizist Christoph Dieckmann stimmt diesem zu:
„Das Kernproblem der deutsch-deutschen Entfremdung liegt im Psychologischen, in der kaum noch reparablen Osterfahrung, als Deutscher zweiter Klasse im mindergestellten Teil der Republik zu wohnen.“
Einerseits ist Sabine ein Opfer eine solchen Unterscheidung, als ihre Kollege im Westen von „uns“ und „euch“ sprechen und Sabine als „Ausländerin“ (Seite 79) mit einem griechischen Mädchen gleichstellen. Andererseits erhält sie die Unterscheidung aufrecht, indem sie auf Seite 109 von „wir“ spricht und die Leute in der DDR meint.
Diese Loyalität gegenüber der DDR kann man auch sehen, als sie das Gefühl hat, dass sie mit jedem Tag weniger weiß, wohin sie gehört (S.75) und sich schlussendlich, nachdem die Berliner Mauer abgebaut wurde, wundert, ob sie in Leipzig bleiben sollte, um die ehemalige DDR umzustrukturieren.
In Kapitel 20 von Ich fühl mich so fifty-fifty, sehen wir, dass Leute immer wollen, was sie nicht haben können, als Sabine mit ihrer neuen griechischen Freundin Maria nach Griechenland fährt und sich Maria bitterlich über ihr Geburtsland beschwert, während Sabine es liebt. Für viele Leute im ehemaligen Ostteil schien der Westen eine Aussicht auf eine glückliches und freies Leben anzubieten. Hohe Flüchtlingszahlen beweisen dies (z.B. 226 000 Personen im Jahre 1953).
Existiert ein Gefühl von „fifty-fifty“ heutzutage immer noch? Ja und Nein. Im deutschsprachigen Teil des britischen Guardian wurden ost- und westdeutsche Studenten nach ihrer Meinung gefragt. „Frühestens in drei Generationen [wird der Gedanke an Ost und West ganz aus den Köpfen verschwunden sein]“, sagt ein Pessimist. In der Tat gibt es eine Welle von „Ostalgie“, die durch den Erfolg des Films Good Bye, Lenin! bewiesen werden kann. Aber es gibt auch Hoffnung: „Ost-West ist Geschichte. Wichtig ist jetzt die Zukunft.“ (Marcus, der aus Westdeutschland stammt)
All das bringt mich zu der Ansicht, dass sich, obwohl die Berliner Mauer ein Stück Gesichte ist, die Kluft zwischen Ost und West, in den Köpfen hält. So denke ich, dass Sabines Freund Thomas die scharfsinnigste Beobachtung von allen liefert: „In der Badehose sind wir alle gleich, Ost wie West“ (S. 53).
Bibliographie
König, Karin. Ich fühl mich so fifty-fifty. Munich: Dtv, 2002.
Zusätzliche Quellen
Artikel „Wir Sind zwei Völker“, Stern (25.4.2002)
www.schlaubi.de/geschichte/ddr/ddr.html
– Deutsche Geschichtswebseite
www.guardian.co.uk/guardianeducation/story/0,,313582,00.html
– deutschsprachige Teil der Guardian-Webseite